Home > Moore > Management > Umsetzung > Projektablauf > Ziele > Entwicklungsziele Arten

Schutz und Management von Mooren:
Entwicklungsziele - Moorpflanzen und -tiere

am Beispiel Murnauer Moos (Wagner & al. 2000)

Kernziel des Artenschutzes ist die Erhaltung der naturraumtypischen Floren- und Faunenvielfalt. Dabei ist grundsätzlich jede Art schutzwürdig; Unterschiede bestehen hinsichtlich der Schutzbedürftigkeit.

Die große Zahl der Arten, denen besondere Aufmerksamkeit gebührt, entstammt in erster Linie oligotrophen, kulturbetonten oder naturnahen Ökosystemen. Bei der Fauna werden für die untersuchten Gruppen von den über 1.800 im Gebiet nachgewiesenen Tierarten ca. ¼ als Zielarten benannt. Etwa die gleiche Größenordnung ergibt sich für die Gefäßpflanzen und Moose, für die im Gebiet etwa 1.000 Arten festgestellt werden konnten. Bei dieser großen Zahl an Arten ist es nur in wenigen Fällen möglich, spezifisch auf die jeweilige Art abgestimmte Maßnahmen zu benennen. Wie zahlreiche biozönologische, vor allem pflanzensoziologische Untersuchungen bestätigen, ist dies oft auch gar nicht nötig, weil Artengilden in bestimmten Lebensräumen geschützt werden können. Insofern lassen sich viele Artenschutzforderungen über Schutz- und Entwicklungsziele für Biotoptypen und Toleranzgrenzen (vgl. Plachter 1996) formulieren.

Im einzelnen bestehen aus Sicht des Artenschutzes folgende Ziele:

    Schutz arealgeographisch bedeutsamer Eiszeitrelikte



Schutz und Management von Mooren    
Eiszeitrelikte im Klimastress?   

 

ANL-Fachtagung   
Bayerische Akademie für Naturschutz und   
Landschaftspflege   

Schutz und Management von Mooren - Eiszeitrelikte im Klimastress




Erhaltung bayern- oder bundesweit vom Aussterben bedrohter Arten

Fauna: Der Wachtelkönig (Crex crex), der nach der Auswertung von Schöpf & Geiersberger mit ca. 40 bis 50 rufenden Männchen im Murnauer Moos den zweitgrößten Bestand Deutschlands aufweist, und der Raubwürger (Lanius excubitor). Bei den Schnecken die als Eiszeitrelikt geltende Schöne Erbsenmuschel (Pisidium pulchellum), die in Bayern als ausgestorben oder verschollen galt und im Rahmen der Untersuchungen zum PEPL durch Falkner & Falkner wiederentdeckt wurde. Bundesweit vom Aussterben bedroht ist auch die Zierliche Tellerschnecke (Anisus vorticulus), ein osteuropäisches Faunenelement, und die Vierzähnige Windelschnecke (Vertigo geyeri), die in Deutschland derzeit nur noch 4 Vorkommen besitzt. Zahlreiche weitere bundesweit vom Aussterben bedrohte Arten wie die Spinnenart Gnaphosa microps, der Schwarzer Grubenlaufkäfer (Carabus nodulosus), bei den Tagfaltern der Heilziest-Dickkopffalter (Carcharodus flocciferus), das Wald-Wiesenvögelchen (Coenonympha hero) und der Gelbringfalter (Lopinga achine) sowie die Zwerglibelle (Nehalennia speciosa), die Kuhn (1996) als die mit Abstand größte Population Bayerns, wahrscheinlich sogar Mitteleuropas bezeichnet, stellen Schutzobjekte ersten Ranges dar.

Flora: Aus floristischer Sicht liegen die wesentlichen Ziele in der Erhaltung der bundesweit einzigen bekannten Vorkommen der vom Aussterben bedrohten Arten Moorbinse (Juncus stygius) und des inzwischen verschollenen Moor-Steinbrechs (Saxifraga hirculus). Als weitere bundesweit vom Aussterben bedrohte Zielarten sind für das Untersuchungsgebiet zu nennen: Sumpf-Fetthenne (Sedum villosum), von der nur drei Wuchsorte in ganz Südbayern bekannt sind, die Torfsegge (Carex heleonastes), die Heidelbeerweide (Salix myrtilloides) und das Zierliche Wollgras (Eriophorum gracile), beide mit wesentlichen Teilen ihrer bundesweiten Populationen im Gebiet, das Bruchmoos (Meesia triquetra), ein seltenes, glazialreliktisches Moos minerotropher, nasser Moore sowie das Wanzenknabenkraut (Orchis coriophora) und der Kriechende Sellerie (Apium repens).

Erhaltung gefährdeter und stark gefährdeter Arten (tw. in ihren bundesweit größten Populationen)

Mit mehr als 4000 Einzelnachweisen stark gefährdeter Pflanzenarten gehören das Murnauer Moos und die Moore westlich des Staffelsees zu den floristisch wertvollsten Moorlandschaften Deutschlands. Diese Vielfalt gilt es zu sichern.

Erhaltung naturräumlich oder arealgeographisch bedeutsamer Artvorkommen

Diese Zielsetzung, die über die bundes- oder landesweite Gefährdung hinausgeht, wird von Seiten des vegetationsökologischen Entwicklungskonzeptes betont, weil Artenschutz nicht allein aus bundes- oder landesweiter Sicht betrieben werden kann. Vielmehr müssen Artenschutzsstrategien aus naturräumlicher Sicht erfolgen. Als Beispiel hierfür ist der Wassernabel (Hydrocotyle vulgaris) zu nennen. Die Art ist aufgrund ihrer weiten Verbreitung im Nordwest- und Nordostdeutschen Tiefland bundesweit nicht, in Bayern und Baden-Württemberg dagegen stark gefährdet. Legt man hinsichtlich der Maßnahmenpriorität nur die bundesweite "Messlatte" an, so wären Schutz- und Entwicklungsprioritäten für die Art nachrangig. Erfolgt die Einstufung der Maßnahmenprioritäten dagegen vor naturräumlich-regionalem Hintergrund, so besteht eine sehr hohe Schutzpriorität. Für die Flora lassen sich zahlreiche weitere Arten benennen, denen trotz geringer oder fehlender Gefährdung naturschutzfachliche Aufmerksamkeit gewidmet werden sollten (Crepis conyzifolia, Crepis praemorsa, Juncus squarrosus, Pedicularis sylvatica u. a.).

Erhaltung und Entwicklung primärer Lebensräume

Eine der wichtigsten Aufgaben im Rahmen des Projektes liegt darin, primäre, das heißt natürliche Lebensräume gefährdeter Moorarten zu schützen und Lebensräume, die diese Funktion aufgrund von Eingriffen in den Moorwasserhaushalt derzeit nicht erfüllen können, aber potentiell geeignet wären, zu entwickeln. Hierzu bestehen im Gebiet sehr gute Voraussetzungen.

Vor dem Hintergrund der Erhaltung und Entwicklung potentieller Lebensräume darf der Wert eines Biotops nicht allein in seiner aktuellen Artenschutzfunktion gesehen werden. Dies gilt gerade für den Bereich der Moore, deren autogene Sukzession über moorstratigraphische Untersuchungen vielfach belegt ist. So bietet die primär durch Torfbildung verursachte Entwicklungsreihe vom Niedermoor über Zwischen- und Übergangsmoore bis hin zum Hochmoor, die sich tatsächlich vielfältiger darstellt als dies in dieser groben Systematik zum Ausdruck kommt, immer wieder andersartige Lebensräume auch für spezifisch an bestimmte Standortkonstellationen angepasste Arten. Dass solche Standortsukzessionen zum Tragen kommen, setzt ein möglichst naturnahes Moorwasserregime voraus, benötigt einen weitsichtigen Planungshorizont und ist vor allem an größere Flächen gebunden.


Tabelle: Hochgradig gefährdete Zielarten
(aus Wagner & al. 2000, eigene Erhebungen 1994 - 1997).



Wagner, A., Wagner, I. & Georgii, B. (2000): Pflege- und Entwicklungsplan Murnauer Moos, Moore westlich des Staffelsees und Umgebung. Unveröff. Gutachten i. Auftrag des Landkreises Garmisch-Partenkirchen, 738 S. + Anhang,


emailhome zurück

29.07.2011

© ALW 2004 Angewandte Landschaftsökologie, Dr. Alfred und Ingrid Wagner, Unterammergau